Es war nicht ihre Begegnung mit der Jungfrau Maria, die die kleine Bernadette zur Heiligen machte: das war das Hirtenmädchen schon vorher. Es ist diese entscheidende und inspirierende Erkenntnis, die René Laurentin in seinem Buch Une petite vie (Ein kleines Leben) aufzeigt, das vom Leben der heiligen Bernadette Soubirous erzählt.
Abbé Laurentin, ein Priester und Theologe (1917-2017), ist Fachmann für Marienerscheinungen, insbesondere die von Lourdes. Er schreibt in seinem Buch, dass Bernadette die Erscheinungen oft nacherzählen musste; sie schrieb sie siebenmal eigenhändig nieder! Abbé Laurentin bemühte sich sehr, diese sieben Versionen zu einer einzigen Geschichte zusammenzuführen. Vom Wunderbaren, Wundersamen war Bernadette in ihrer Naivität so weit entfernt, dass sie berichtete, ohne den „Namen“ zu verstehen, den die „Dame“ ihr als Antwort auf ihre Frage gab: Ich bin die Unbefleckte Empfängnis.
Acht Jahre lang musste Bernadette Verhöre durch zivile und kirchliche Behörden über sich ergehen lassen. Heute würden wir regelrecht von Belästigung sprechen. Doch sie kann nie in Verlegenheit gebracht werden: Ihre Antworten kommen ruhig, unaufgeregt, präzise, Fangfragen vereitelnd – man denkt an Jeanne d'Arc vor ihren Richtern - manchmal fast frech: Ich bin beauftragt, Euch dies zu sagen, ich bin nicht beauftragt, Euch dazu zu bringen, es zu glauben.
So ist ihr kurzer und schlichter Werdegang. Er ist geprägt von der Anwesenheit ihres Biographen, der es wagt, starke Worte zu verwenden, die er gut begründet: Bernadette ist für Lourdes das, was Maria für die Kirche ist. Und seine auf Forschungen gegründete Überzeugung überzeugt uns: Noch bevor sie von Maria auserwählt wurde, war „dieses arme Mädchen“ bereits heilig. Sie betete innig, ohne das Unglück zu beklagen, das auf ihre Kindheit fiel, bereit zu allem, schon ganz und gar ausgerichtet auf den Willen Gottes.