11. Februar – Frankreich: Unsere Liebe Frau von Lourdes

Der Kardinal ist von Maria fasziniert

„In meinem Leben ist die Jungfrau Maria als meine Mutter vom ersten Tag an präsent, ohne Zweifel schon vor meiner Geburt, als meine Eltern ihr das kleine Leben anvertrauten, das sich ankündigte.

Meine Beziehung zu ihr war immer einfach, mit sehr starken Momenten wie meiner ersten Wallfahrt nach Lourdes zur Hundertjahrfeier der Erscheinungen, nachdem die Basilika Pius X. fertig gestellt worden war. Dann kam die Entdeckung von Fatima auf dem Weg, der uns von Marokko in den Ferien zurück nach Frankreich führte. Und das Fest Unserer Lieben Frau von La Bouzanne, am 15. August, in der Gemeinde Aigurande, dem Ort wo unsere Familie herkommt, im Berry…

Keine außergewöhnlichen Momente. Bis vielleicht auf einen. Ich war 15 Jahre alt. Wir wohnten damals in Joinville. Nach einer Beichte in der Kirche Sainte Anne de Polangis, während ich meine Buße verrichtete – ich musste einige Gegrüßet seist du Maria beten – als ich da zu den Worten kam „jetzt und in der Stunde unseres Todes“, vertraute ich Maria mein Leben an - fest, konkret und entschieden. Und die Antwort war klar: Priester! Tatsächlich hatte sich dieser Gedanke seit einiger Zeit in meinem Kopf festgesetzt, aber in diesem Augenblick hatte ich den Eindruck, dass er unter dem Blick der Gottesmutter Maria besiegelt wurde.

Der Rosenkranz… Ja, das ist ein guter Begleiter zu allen Zeiten, besonders vielleicht in Stunden der Krankheit. Eines Tages in Lourdes, bei einem „Frat“ (1) mit einem meiner Freunde – wir waren damals junge Priester, sagte ich zu ihm: „Ich muss hier einen Rosenkranz kaufen, meiner ist kaputt.“ Und der Gute rief aus: „Das ist das erste Mal, dass ich jemanden sehe, der einen Rosenkranz auch ‚benutzt‘!“

Ich habe ihn auf Französisch, Latein, Spanisch, Madagassisch… gebetet, ja nach Situation. Um mich bei den Gegrüßet seist du Maria nicht zu verzählen, bete ich ihn mittlerweile in zehn verschiedenen Sprachen, nach einer bestimmten Reihenfolge; mit dem Vaterunser und dem Ehre sei dem Vater, macht das zwölf! So weiß ich immer, woran ich gerade bin.

Ich sehe vor allem, wie Maria auf mein Leben schaut, auf die anderen, auf die große Familie der Kirche und auf die Welt. Es ist ein friedlicher und friedenstiftender, ein stiller Blick. Der Moment in ihrem Leben, der mich fasziniert, abgesehen von der überwältigenden Stunde der Verkündigung, ihrem Gang zum Haus von Zacharias und der unglaublichen Begegnung mit Elisabeth, wo die Freude des Magnifikat aus ihr hervorbricht, das ist der Abend des Karfreitag und der Karsamstag. Ihre Augen sind fest auf das Grab gerichtet, in das der Leichnam Jesu gelegt wurde, sie kann nicht weggehen. Zart nimmt der Lieblingsjünger sie bei der Schulter und flüstert ihr ins Ohr: „Wir gehen jetzt nach Hause.“ Und ich versuche, ihnen Minute für Minute nachzugehen: auf dem Weg, bei der Ankunft… Werden sie etwas essen, an diesem Abend? Sprechen sie miteinander, Maria und Johannes? Ich persönlich habe den Eindruck, dass sie in einem Moment ihre Augen auf den Jünger richtet und ihn sanft fragt: „Und Petrus?“ Und Johannes darauf antwortet: „Ich werde ihn holen.“

Kurz danach kommt Petrus an, das Evangelium sagt, dass er da ist, am Ostermorgen, nachdem Petrus und Johannes zusammen zum Grab gelaufen sind. Ich sehe, wie Petrus am offenen Grab anhält, sicher mehr als verschämt, noch immer betroffen von der Feigheit seiner dreifachen Verleugnung. Aber im Blick Mariens wird ihm bewusst, dass er verstanden wurde, dass ihm vergeben wurde… dass er wahrhaftig und immer geliebt ist. Er muss seinen Platz wieder einnehmen! Die Worte und der Auftrag Jesu verlieren nicht ihre Kraft aufgrund unserer Sünden und unseres Verrats.

Für Maria ist das feste Überzeugung. Elisabeth hatte es ihr früher zugesagt, als sie sie mit den Worten begrüßte: „Selig, die geglaubt hat, was der Herr ihr sagen ließ!“ (Lk 1, 45).

Das ist es, was mich bei Maria am meisten fasziniert: wie sie es fertig gebracht hat, weiter an das Wort Gottes zu glauben, als sie mit ihren Augen genau das Gegenteil von dem wahrnahm, was ihr versprochen und angekündigt worden war. Als Jesus am Kreuz hing, erinnerte sie sich an die Worte des Engels: „Er wird groß sein“; „Er wird Sohn des Allerhöchsten genannt werden“; „Der Herr wird ihm dem Thron seines Vaters David geben“; „Seiner Herrschaft wird kein Ende sein“… Sie glaubt weiterhin an die Wahrheit dieser unmöglichen Worte. Und als sie vor sich diesen Petrus hat, untröstlich und trostlos, weiß sie, dass er Petrus ist und dass „auf diesen Felsen“ Jesus seine Kirche bauen wird. Der Glaube Marias!

Ein Dankeschön an Kardinal Barbarin für seine Bereitschaft, diesen Text für Eine Minute mit Maria zu schreiben.

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(1) Der „Frat“ ist ein jährliches Treffen junger Christen von der Île-de-France. Der Name lautet vollständig Le Fraternel – Das Brüderliche/Schwesterliche.

Philippe, Kardinal Barbarin

Erzbischof von Lyon, Primas von Gallien (Frankreich)

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